Gerüchteküche XIII: Hilft Koffein beim Ausnüchtern?
Ein Beitrag von Stephan Eicke in der Kategorie #Gerüchteküche vom 11. Juli 2022
In unserer Reihe “Gerüchteküche” nehmen wir uns regelmäßig Mythen im Bereich Kaffee an, die sich bereits seit langer Zeit halten. Hier untersuchen wir, ob sie komplett erfunden sind oder ob an ihnen nicht doch etwas dran sein könnte.
Die zwei Mythenkiller:
Stephan, Content Creator, und Jan, Content Strategist
Gerüchte, Mythen, Legenden
über Espressomehl und Kaffeesatz
Lasst uns etwas Wissen spenden,
hier hat alles seinen Platz
Jan: Guten Morgen, Stephan.
Stephan: Shhhh, schrei nicht so…
Jan: Ah, wieder mal verkatert?
Stephan: Ich habe gestern ein Trinkspiel mit einem Freund veranstaltet: Wann immer wir in Berlin unfreundlich bedient wurden, mussten wir einen Schnaps trinken.
Jan: Wie schnell wart ihr besoffen?
Stephan: 20 Minuten.
Jan: Die aktuelle Anfrage dürfte genau das richtige Thema für dich sein:
Hey Gerüchteküche-Gang,
ich habe mal gehört, dass Kaffee bzw. Koffein beim Ausnüchtern hilft, also auch gegen Kater und so. Stimmt das? Habt ihr dazu Erfahrungswerte? 😀
Stephan: Gehört habe ich das Gerücht schon mal, aber beweisen konnte ich das nie.
Jan: Na dann los!
Stephan: Schrei nicht so.
Das Gerücht
Koffein setzt Adrenalin frei und unterdrückt das Müdigkeitsgefühl. Damit geht einher, dass man einen Kater spielend leicht bekämpfen kann, wenn man einfach einen ganz starken Kaffee trinkt. Wie ihr bestimmt in vielen Filmen schon gesehen habt: Wenn jemand unbedingt wachgerüttelt und nüchtern werden muss, kommt oft eine kalte Dusche zu Hilfe, bevor literweise Kaffee konsumiert wird. Aber macht das tatsächlich einen nennenswerten Unterschied?
Vorweg: Alkohol ist eine Droge, die man am besten gar nicht konsumieren sollte — und wenn man doch einmal Lust hat, empfiehlt es sich, bewusst zu konsumieren und seine eigenen Grenzen zu kennen.
Der Versuch
Da unsere letzten Untersuchungen aufgrund der Art der Themen eher trocken ausgefallen sind, indem lediglich wissenschaftliche Studien ausgewertet wurden, haben wir uns entschieden, dieses Mal praktischer an die Lösung des Problems heranzugehen.
Am 30. Juni begeht unsere Firma eine Teamparty. Vorher suchen wir nach Freiwilligen: Wer ist bereit, sich zu betrinken und am nächsten Morgen — zwei Stunden nach dem Aufwachen — mindestens zwei Tassen Kaffee zu trinken? Stephan ist bereit, sich zu betrinken und am nächsten Morgen auf Kaffee zu verzichten.
Güney meldet sich und berichtet am Tag nach der Party, er habe getrunken:
5 Bier (jeweils ca. 400 ml)
4 Gläser Weißwein (jeweils ca. 200 ml)
4 Aperol Spritz
2 Vodka Shots
Stephan ist bescheidener und hat seine Grenze erreicht bei
7 Bier (jeweils ca. 400 ml)
1 Glas Prosecco
Das Problem: Sowohl Güney als auch Stephan fühlen sich am nächsten Morgen fit. Ein Kater ist nicht auszumachen, obwohl beide am Abend zuvor leicht beduselt waren.
“Ich hatte keine Kopfschmerzen oder irgendwas”, berichtet Güney. “Ich hatte nur mehr Sodbrennen als üblich und war auch sehr müde. Ca. zwei Stunden später, im Büro, habe ich einen Double Shot Flat White getrunken und anderthalb Stunden danach einen schwarzen Filterkaffee. Beides hat nicht geholfen, mich wachzurütteln. Das Sodbrennen wurde sogar noch schlimmer.” Vor den koffeinhaltigen Getränken hatte Güney nichts gegessen.
Stephan hat am nächsten Tag keinen Kaffee getrunken, sich deswegen aber weder besser noch schlechter gefühlt. Sodbrennen hatte er nicht.
Was also sagt die Wissenschaft? Die bestätigt Güneys und Stephans Vermutung: Koffein hilft nicht beim Ausnüchtern, kann einige der Symptome wie Sodbrennen sogar noch verschlimmern. Warum?
Die Erklärung
Kaffee ist harntreibend. Wie wir hier bereits beschrieben haben, kurbelt Koffein die Nierenfunktion an — ebenso wie Alkohol. Das bedeutet, dass du nach dem Konsum von Kaffee öfter pinkeln musst. Das führt nicht zu einer Dehydrierung (weil dein Körper trotzdem mehr Wasser aufnimmt als er ausscheidet), macht die Rehydratation aber schwieriger, wenn dein Wasserhaushalt ausgeglichen werden muss. Nach einer wilden Nacht ist das wahrscheinlich, denn Alkohol verlangsamt die Freisetzung von Vasopressin, einem Hormon, das anti-harntreibend wirkt und dafür sorgt, dass der Wasserhaushalt deines Körpers ausgeglichen ist.
Zudem verengt Kaffee die Blutgefäße und lässt den Blutdruck kurzzeitig ansteigen. Auch das kann einen Kater eher schlimmer denn besser machen.
Dass Koffein nicht gegen einen Kater hilft, wurde in mehreren Studien belegt. US-amerikanische Wissenschaftler haben für einen Test zwei Gruppen beobachtet: Eine Gruppe musste mehrere Gläser Bier (jeweils 355 ml) trinken, die mit 69 ml Koffein versetzt waren. Eine andere Gruppe trank das Bier ohne Koffein. Der Schlaf war bei jenen Probanden besser, die das Bier mit Koffein getrunken hatten. Allerdings wurden keinerlei Unterschiede in Bezug auf den Kater am Morgen danach festgestellt.
Das Fazit
Jan: Na?
Stephan: Die Ergebnisse sind ernüchternd. Entgegen den Behauptungen unzähliger französischer Arthouse-Filme aus den 60ern, in denen ununterbrochen geraucht und getrunken wurde, hilft Kaffee nicht beim Ausnüchtern. Auch der Kater fühlt sich deswegen nicht besser an.
Jan: Also kann man Kaffee beim Hangover auch weglassen.
Stephan: Man sollte eher Alkohol weglassen, um gar nicht erst einen Hangover zu haben und am nächsten Morgen seinen Kaffee genießen zu können.
Jan: Ja, das ist natürlich noch besser. Auf Alkohol zu verzichten könnte für viele Menschen aber herausfordernd sein.
Stephan: Das kann man ja spielerisch angehen: Triff dich einmal mit einem Freund und vereinbare, jedes Mal ein Glas zu trinken, wenn ihr in Berlin freundlich bedient werdet.
Herein in die Gerüchteküche
Woche für Woche gehen unsere Mythenjäger den beharrlichsten Gerüchten, der gepflegten Pseudowissenschaft und den gefühlten Wahrheiten rund um’s Thema Kaffee auf den Grund. Finde heraus, was sie bisher so alles herausgefunden haben.